Hast du schonmal von Shinrin-Yoku gehört?
Ja, richtig. Mein erster Gedanke war auch: “Kann man das essen?” Was sich anhört wie eine japanische Spezialität mit rohem Fisch, hat mit Essen eher weniger zu tun. Es handelt sich hierbei um eine Tätigkeit, die man auf Deutsch übersetzt “Waldbaden” oder “Im Wald baden” nennt. Das beeindruckende dabei: Was so klingt, als wäre es irgendein Möchtegern-Hokus-Pokus, ist in Japan schon lange eine medizinisch anerkannte Therapiemethode. Auch in Deutschland gibt es Studien, die einen nachhaltigen Effekt für die Gesundheit des Menschen nicht leugnen können. Aber nun mal von Anfang an.
Waldbaden ist eigentlich ganz einfach. Es bedeutet, mit allen Sinnen in die Natur im Wald einzutauchen. Das kann während einem gemütlichen Spaziergang sein, kann aber auch ganz ohne körperliche Aktivität beim Relaxen auf einer waldnahen Wiese geschehen. Wichtig ist hierbei, dass man all den Stress und all den Lärm der Stadt komplett hinter sich lässt. Gar nicht so einfach einen Ort zu finden, an dem es nicht so lärmt, oder? Das, was so scheinbar einfach ist, ist für uns Menschen von heute (dem “Modernen Menschen”) gar nicht mehr so leicht. Unser Gehirn ist darauf geschult ständig mit Reizen zugespamt zu werden und kann kaum noch abschalten. Und eben das ist beim Waldbaden gefordert. Denke einfach mal an gar nichts. Lausche den Geräuschen des Waldes, den zwitschernden Vögeln oder dem hämmernden Specht. Spürst du den Wind auf deiner Haut? Diese angenehme Kühle? Versuche einmal die Düfte deiner Umgebung wahrzunehmen. Gerade im Frühling, wenn alles anfängt zu sprießen und die Säfte in die Bäume schießen, dann riechst du den unverkennbaren Duft von frischem Gras, von Birkenblättern und Tannenzweigen. Geh mal bewusst in einen Nadelwald im Sommer und lasse die ätherischen Öle und Düfte der Tannennadeln durch deine Atemhöhlen wandern und schließe dabei die Augen, um die Sonnenstrahlen auf deiner Haut zu spüren. Bei allen Tätigkeiten atmest du gleichmäßig und tief ein und aus. Du tauchst beim Waldbaden nicht in das Wasser, sondern komplett in die Natur mit all ihren Facetten ein. Und bloß nicht von den Fliegen auf der Haut nerven lassen. Gerade die kleinen Berührungen auf deiner Haut sollst du lernen bis ins Detail zu spüren.
Dass das Wandeln in der Natur und im Wald unser Wohlbefinden steigert, steht außer Frage. Nicht umsonst gilt der Wald als Erholungsort für den Körper und die Seele. International durchgeführte medizinische Studien geben Indizien für die Vielschichtigkeit der Wirkungen auf den Körper. So muss man erst einmal die psychologischen Effekte von den physiologischen Auswirkungen unterscheiden:
Die messbaren Effekte auf den Körper (psychologisch):
Von psychologischer Seite werden hier insbesondere zwei verschiedene Denkmodelle zur Erklärung dieses Phänomens herangezogen. Die Stressreduktionstheorie und die Aufmerksamkeitsrestaurationstheorie. Die beiden Theorien verweisen auf den “Back to the Roots”-Effekt. Schon von Beginn unserer Existenz leben wir Menschen in und mit der Natur. Erst die jüngere Menschheitsgeschichte hat uns Betonwüsten und dem Stress von Stadtlärm und Erfolgsdruck ausgesetzt. Wir sind als Mensch also vielmehr darauf programmiert in einer natürlichen Umgebung zu wachsen. Dieser Aspekt wird übrigens auch immer mehr in den beruflichen Alltag miteinbezogen. So legen große Unternehmen für ihre Mitarbeiter mittlerweile eigens geschaffene Wandelgärten und Bereiche für naturbezogenes Arbeiten an. Es ist also eine Art von Urinstinkt, der uns (zumindest von psychologischer Seite aus) in natürlichen Umgebung schneller und leichter entspannen lässt. So tut die Waldwellness unserer Seele gut. Die medizinisch und biologisch messbaren Faktoren folgen mit dem Gefühl des Ankommens und Zuhauseseins.
Die Kritik wollen wir nicht außen vor lassen. Sicherlich haben verschiedenste Studien gezeigt, dass dieser Trend sogar auf medizinisch messbare Hintergründe fußt. Hinter jedem Mythos versteckt sich ja auch ein Keim von Wahrheit. So lässt sich sagen, dass die durchgeführten Studien nur eine geringe Anzahl an Fällen untersucht hat und dies auf international höchst unterschiedlichem Terrain. Umso mehr dürfen wir auf die Ergebnisse der gemeinschaftlich geplanten Studie der TU München und der LMU München gespannt sein. Man möchte nämlich valide Ergebnisse liefern können und dem bereits vermuteten Effekt des Waldbadens ein Ausrufezeichen hinzufügen.
Wandern durch Wälder und Wiesen, hinauf auf Berge und wieder hinab in Täler hat auf uns schon einen positiven Effekt wegen der sportlichen Betätigung. Mich hat das Wandern an der frischen Luft in den Lebensphasen, wo es mal nicht so optimal läuft, sehr geholfen. Die lästigen Gedanken, die versuchen einen herunterzuziehen, verliere ich in der Natur sehr schnell. Beim Wandern gilt nur noch das Ziel eine bestimmte Strecke zurückzulegen und dabei muss ich nur ich selbst sein – ein Ziel, dass ich meistern kann.
Dazwischen atme ich die frische Waldluft, spüre die Sonne auf meiner Haut und auch wenn es mal anstrengend wird, zum Beispiel beim steilen Berganstieg, so spüre ich hier, dass ich lebendig bin. Es geht in diesen Momenten gar nicht um die nächste Prüfung, es geht nicht um den privaten Stress, sondern es geht dann nur um dich und deinen Weg. Wandern und Waldbaden heißt für mich Durchatmen vom Alltag. Sowas wie Kurzurlaub für die Seele. Darum versuche ich dies nach Möglichkeit jedes Wochenende zu tun.
Du möchtest das Waldbaden einmal selbst ausprobieren? Gerne kannst du dies mit uns auf einer unserer Wanderungen tun, oder du probierst es einfach mal ganz alleine für dich aus. Ein Wanderweg, der geradezu für das Waldbaden gemacht ist, ist der Rothaarsteig. Als Weg der Sinne konzipiert sind seine vielen Rothaarliegen mit ihrer geschwungenen Form perfekt um die Natur und den Wald neu zu erleben.
Wir freuen uns, wenn du uns von deinen Erfahrungen erzählst. Schreibe uns doch einfach mal eine E-Mail.